geboren 12.6.1935 – gestorben am 13.6.2019
Vor wenigen Tagen bist Du von uns gegangen. Ich trauere um einen Freund und treuen Politischen Radler.
Zum ersten Mal haben wir uns im Sommer 2012 im Osten der Slowakei kennen gelernt. Wir besuchten die Heimat der slowakischen Roma. Dich trieb um, wie mich, dass mitten in Europa eine Volksgruppe massiv diskriminiert wird und viele von ihnen in slumartigen Behausungen leben müssen. Ich sehe heute noch Dein fragendes, neugieriges Gesicht. Du wolltest der Sache auf den Grund gehen. Ich erinnere mich, wie Du mehrfach damals bei unseren Diskussionen die Frage aufgeworfen hast: „Da muss noch mehr nicht stimmen, da ist noch mehr faul, ich verstehe das noch nicht“. Verfasst hast Du damals einen bebilderten Reisebericht und hast im Freundes- und Bekanntenkreis über die Dich bewegende Reise auch im Rahmen von Vorträgen berichtet. Übrigens, Dein Reisebericht wurde eifrig gelesen, als ich im Mai dieses Jahres wieder mit einer Gruppe vor Ort war. Insbesondere Deine Zeilen zur (erzwungenen) Sterilisierung von Frauen mit Romno-Hintergrund wurden diskutiert. Damals trafen wir eine Selbsthilfe-Organisation, in der sterilisierte Frauen sich gegenseitig stützten und für ihre Anerkennung eintraten.
Im Sommer 2017 wolltest Du – mit Deiner Lore – erneut dabei sein bei der Reise in die Heimat der Roma, kurzfristig musstest Du absagen, Dein Arzt hatte Dir aufgrund aufkommender gesundheitlicher Beschwerden von der Reise abgeraten.
Als ich Dich kennen lernte, bist Du, bereits weit über 70 Jahre alt, immer noch locker über 100 km am Tage geradelt. Ich bin noch immer beeindruckt! Werde ich mich in 20 Jahren auch noch auf den Sattel schwingen können?
Unvergessen bleibt mir eine Szene in den Pfälzer Weinbergen, auch hierher hattest Du mich begleitet: Obwohl ich darum gebeten hatte, dass alle Radler*innen der Gruppe bei einem Halt an einem Aussichtspunkt oberhalb von Frankweiler, dem Autoverkehr ausweichend, sich in einer Parkbucht einfinden sollten, bliebst Du mit Deinem Rad auf der Straße stehen, eine Fahrbahn blockierend. Als ich Dir zu rief: Eberhard, runter von der Straße, entgegnetest Du mir: Du Säckl, ich sichere Euch doch ab, auf mich kommt es sowieso nicht mehr an.
Ich war verblüfft und wiederum beeindruckt.
Die Reisen in die Pfalz auf den Spuren der Aufstandsbewegung in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts hast Du gemocht. Gewundert hast Du Dich dabei im Jahre 2014, als Du das erste Mal dabei warst, über den Umgang einiger Pfälzer mit ihrer Demokratiegeschichte. Du hast damals festgehalten: „An der Radtour hat mich am meisten beeindruckt, dass manche Leute in der Pfalz sich nach zweihundert Jahren noch über ihre Revoluzzer-Ahnen zu schämen scheinen“.
Das Lied der Frankfurter Student*innen zum Frankfurter Wachensturm am 3.4.1833 war Dir Dein Liebstes. Gemeinsam mit Axel hast Du – fast vollständig Text sicher – „Zur freien Republik…“ geschmettert:
1. In dem Kerker saßen
Zu Frankfurt an dem Main
Schon seit vielen Jahren
Sechs Studenten drein,
Die für die Freiheit fochten
Und für das Bürgerglück
Und für die Menschenrechte
Der freien Republik.
2. Und der Kerkermeister
Sprach es täglich aus:
Sie, Herr Bürgermeister,
Es reißt mir keiner aus.
Aber doch sind sie verschwunden
Abends aus dem Turm,
Um die zwölfte Stunde,
Bei dem großen Sturm.
3. Und am andern Morgen
Hört man den Alarm.
O, es war entsetzlich
Der Soldatenschwarm!
Sie suchten auf und nieder,
Sie suchten hin und her,
Sie suchten sechs Studenten
Und fanden sie nicht mehr.
4. Doch sie kamen wieder
Mit Schwertern in der Hand.
Auf, ihr deutschen Brüder,
Jetzt geht’s fürs Vaterland.
Jetzt geht’s für Menschenrechte
Und für das Bürgerglück.
Wir sind doch keine Knechte
Der freien Republik.
5. Wenn euch die Leute fragen:
Wo ist Absalom?
So dürfet ihr wohl sagen:
O, der hänget schon.
Er hängt an keinem Baume
Und an keinem Strick,
Sondern an dem Glauben
Der freien Republik.
Lieber Eberhard, wir werden das Lied zur Jubiläumstour im September wieder singen! Du singst im Geiste mit, dessen bin ich mir sicher. Lebe wohl! Du bleibst unvergessen!
Dein Thomas