Bernd
Auf was lasse ich mich da bloß ein? „Bauernkriege, Reformationen und Revolutionen im südwestlichen Zipfel in der Pfalz“ Welche Bezüge habe ICH zur und in die Pfalz?. Einige wenige „olfaktorische“ vermutlich. Mir eher mehr oder weniger unbekannte, bisher vorurteilsbehaftete Grau-Burgunder. Immerhin. Dennoch fühlte ich mich bei den historischen Anlaufpunkten der Routenbeschreibung abermals leicht „ertappt“. Blicke verschämt auf die lang zurückliegenden grauen Flecken meines schulischen Geschichtswissens und Politisierung in den Siebzigern des vorigen Jahrhunderts zurück.
Nussdorf? Nichts! Speyer? Ein wenig Dom. Ein bisschen Bischofssitz. Landau? Isar in der Pfalz? Mmmh. Französische Revolution? In „großen Linien“ doch klar! Was diese aber mit der Pfalz zu tun? Jacobiner, Schwarz-Rot-Gold: Hambacher Fest. Für einen Bundes-Republikaner doch wohl keine Frage! Aber verdammt noch mal. Wo findet der Hamburger mit dem Finger auf der Landkarte Hambach? Deutsche Revolution 1848 Frankfurt, Römer, Robert Blum. Na Bitte. Steif und festes Grund-Geschichts-Wissen. Leuchttürme in deutscher Geschichte. Werde nun eine Woche den Pfälzer -Lichtstrahlen folgen um näheres zu „erfahren“. Alles „ohne Gewehr“.
Denke: Reisen sind die Geburtshelfer von Gedanken. Leben ist durch die Zeit „reisen“. Eine einwöchige Fahrradtour ist wie ein kleines Stück davon…Samstag 10:47 Hamburg Hbf. Werde „der Neue“ in einer Gruppe sein, die sich größtenteils bereits durch Thomas Bosnien Reise her kennen. Vorsichtige Annäherung mit innerer Küstenhaltung: Kiek mol behott in.
Mannheim. Radübernahme. Traumwetter. Rhein aufwärts. Fähre nach Altrip. Erfahren, dass an diesem Ort – alta ripa ‚hohes Ufer‘ -unter dem römischen Kaiser Valentinian, kurz notiert, im Jahr 369 das Kastell Alta Ripa gegründet wurde. Logische Konsequenz: Einquartierung und Rast hinterm Deich im Hof. Randvolle Schorlen im Halbliter „Römer“ erleichterten sowohl das Kennen Lernen, als auch die die ersten Intros über die „gesellschaftliche und politische Situation am Ende des 18. Jahrhunderts in Deutschland, Überblick: Auswirkungen der französischen Revolution in der Pfalz (1789-1849)“ Da wollen wir in fünf Tagen per Pedes durch? Krönender Abschluss Deutsche Literatur: Schillers Glocke, rezitiert von Thomas Vater Karl-Heinz. „Fest gemauert in der Erden“ Um Mitternacht eher ein gegenteiliges Gefühl. Brauche nach dem langen Tag die leichte Horizontale.
„Von der Stirne heiß, rinnen muss der Schweiß“. „Indian Summer“ in der herbstlichen Pfalz. Regenkleidung hat diese Woche kein Chance mit himmlischer Feuchtigkeit in Berührung zu kommen. Leicht bekleidet. Unvergessliche, sinnliche Eindrücke am Rhein auf dem Treidelpfad entlang und durch die vollreifen Rebstöcke zu radeln. Inmitten schwerer, süßlich herber Schwaden Schmetterlinge! Schmetterlinge? Leicht vernebelt steigen Klänge der „Proletenpassion“ in mir auf. Bilder Sensenschwingender Bauernhaufen Das langsam anschwellende Dröhnen der Landsknechtstrommeln. Flattern erregter „Bundschuhfahnen“. Gedankenverloren zieht mich die Gruppe mit in die Domstadt Speyer. Geschichte springt, wenn man sich Zeit für Gedenk-Tafeln einräumt , von den Haus- und Domwänden regelrecht auf einen herab. Was für eine Zeit? Enteignete Bistümer. Bischöfe, die während der revolutionären Wirren nur noch durch Wachen begleitet – begrenzt auf den Dom – jedoch nicht mehr in der Stadt residieren durften. Hinweg gewehte Zeit. Hinweg gewehte Revolutionen. Tiefe Spuren in deutscher Geschichte. Noch tiefer in die Jahrhunderte blickend: Kaisergrüfte. An die frische Luft. Die Gegenwart holt uns ein und die nächste Schlacht ruft. Immer leicht bergan geht’s zu zum Weingut Hochdörffer, unsere nächste Unterkunft. „Die Spezialitätenplatte“ wartet bereits auf uns.