Bei der vierten politischen Radtour erwischte es uns: Über Deutschland lag ein stationäres Tief. Es versorgte uns in Staffeln mit Niederschlägen. Aber miese Regenwetterlaune hatte keine Chance, hatten wir doch Diana unter uns. Sie machte uns auf die Vorzüge angeblich schlechten Wetters aufmerksam. Auf meine Bitte hin beschrieb sie die Vorzüge des Regenwetters.
Samstagmorgen, 14. September 2013, Rumbach.
Natürlich wollen wir Sonne!
Regentropfen, so fein, dass man sie besser hören als sehen kann, knistern leise und stetig auf den Blättern der Bäume, dem Gras, den verwelkenden Herbstblumen. Ich stehe auf der Terrasse unserer Unterkunft. Höre ich genau hin, so kann ich die stete Melodie erlauschen, gleichmäßig, vertrauensvoll monoton, darin eine tiefe Ruhe.
Drinnen Betriebsamkeit. Thomas hat das Wetter gegoogelt, das nützt auch nichts.
Später sehe ich Naturbilder, die man nur dann so sehen kann:
Dunstverhangene Bergrücken, manchmal die Gipfel umkrönt. Oben, auf einer Wiese hinter einem Regenschleier, Pferde, still grasend. Nebelschwaden auf engen Waldwegen, in die wir eintauchen. Graue Fetzen, verfangen über einer steil abstürzenden Schlucht. An einem Waldrand reißt, unerwartet, der Himmel auf, wenn auch nur für Augenblicke. Grau ist er überall: grauweiss, aschegrau, schmutziggrau, grünstichiggrau, silbergrau, grauschwarz und manchmal, aber nur ein- oder zweimal, dahinter ein weisssilbernes Glimmen. Und dazu schweben Gerüche in der feuchten Luft, duften überall ein bisschen anders nach Herbst, verhalten nur und immer feucht, aber soviel Thymian habe ich noch nirgendwo gerochen. Die Straßen alter Dörfer gehören uns, während sich der tiefe Himmel über uns aufspannt. Heute jagen die Dorfbewohner nicht mal einen Hund raus! Nebenbei, Ansichten von Häusern der letzten Jahrhunderte. Mit etwas Phantasie kann ich in der Sozial- und Kulturgeschichte dieses Landstriches lesen.
Aber wir machen doch eine politische Radreise!
In Rinnthal, am Defilee, wie Friedrich Engels den Engpaß betitelt, wo das Gefecht zwischen den Freischärlern und der Übermacht der Preußen tobte, sammeln wir uns am versteckten Gedenkstein. Rolf Übel, der Historiker, hält einen Stegreifvortrag. Damals, als es frühmorgens losgeht und schließlich die acht jungen Freischärler sterben werden, ist ein trockener Sommertag. Die Gärten, die Wiesen, die Wälder, sie riechen nach Heu, Verheißung und Angst, stelle ich mir vor. Uns kühlt der Niesel, schärft den Verstand, und kein Sonnenstrahl lenkt uns wärmend ab. Auf dem Annweiler Friedhof schüttet es gar aus allen Kübeln. Thomas hält den Schirm, nachdem die Buchstaben zu verschwimmen beginnen, während ich aus meinem Buch lese.
Viel später noch an diesem Tag, nachdem wir den 2. Hambacher Freiheitsbaum mit unseren Wünschen bestückt haben, uns von Helmut Seebach zum Nachdenken und Diskutieren haben anregen lassen und die gegrillten Würstchen gegessen haben, noch einmal so ein Bild:
In pechschwarzer Nacht trutzt, durch Regenschleier hindurch, inmitten von Flammenfarben der Trifels. Wer es nicht glaubt, muß selber zum Gut Hohenberg radeln.
Diana Ecker
2 Gedanken zu „Die Vorzüge angeblich schlechten Wetters“