Was ich am Hambacher Fest und den revolutionären Aufständen 1849 in der Pfalz bemerkenswert und noch immer aktuell fand
Von Outi Arajärvi
Pressefreiheit
Die Forderung nach Pressefreiheit war eine der Hauptmotivationen des Aufrufs zum Hambacher Fest. Die Hauptakteure, die das Fest angemeldet hatten, Philipp Jakob Siebenpfeiffer (Rheinbayern/Westbote/Deutschland) und Johann Georg August Wirth (Deutsche Tribüne), waren beide Zeitungsverleger von Zeitungen, die ständig der Zensur unterlagen, Anklagen abwehren mussten und von Gefängnisstrafen bedroht waren. Zusammen mit weiteren Bürgern und Journalisten aus der Pfalz gründeten sie zur Abwehr dieser Presseverbote 1832 den “Deutschen Preß- und Vaterlandsverein”, der in kürzester Zeit über 5.000 Mitglieder zählte. Sie sahen sich den Idealen der Französischen Revolution verpflichtet und wehrten sich gegen diese repressiven Maßnahmen gegen die Meinungsfreiheit durch das Königreich Bayern, das die Pfalz 1816 von Frankreich übernommen hatte und nach und nach versuchte, die Errungenschaften der Revolution aufzuweichen.
Es ist ja nicht so, dass diese Forderung nach Pressefreiheit nicht auch heute aktuell wäre. Erst vor wenigen Jahren hat der Deutsche Journalistenverband auf den Aufruf zum Hambacher Fest Bezug genommen, als er gegen die Beschneidung der Meinungs- und Pressefreiheit durch die Bundesregierung protestierte. “Eine Presse, die der Politik nach dem Mund redet, taugt nicht für die Demokratie”, beginnt der am 14. Juni 2007 in Hambach verkündete Appell von siebzehn Journalisten, darunter Autoren der Tageszeitung, der Zeit, des Spiegel, der Süddeutschen Zeitung und weiterer großer deutscher Presseorgane. Im Zusammenhang der Veröffentlichung von Zitaten aus vertraulichen und geheimen Akten des BND-Untersuchungsausschusses wurde ihnen Geheimnisverrat vorgeworfen und ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Internationalismus – Nationalismus
Die Initiatoren und Redner auf dem Hambacher Fest sahen keinen Widerspruch zwischen internationaler Solidarität, ja sogar dem Erstarken einer Europäischen Union und der Forderung nach einer Deutschen Nation. Ein freies und einheitliches Deutschland war die Hauptforderung, denn nur durch diese Einigkeit war es in ihren Augen möglich, die alte Feudalordnung mit den Fürstentümern zu stürzen. Gleichzeitig war die „Heilige Allianz“ zwischen dem zaristischen Russland, Preußen und Österreich der übermächtige Gegner, der nur mit Freiheitsbewegungen in ganz Europa besiegt werden konnte. Vor allem nahmen die Menschen Anteil an den polnischen Revolutionären, die nach dem Scheitern des Novemberaufstandes 1830/31 in Polen zu Tausenden geflohen waren. Für sie wurde gesammelt und die Flüchtlinge, die in Hambach teilnahmen, wurden begeistert aufgenommen.
Johann Georg August Wirth formulierte es in seiner Rede folgendermaßen:
„In dem Augenblicke, wo die deutsche Volkshoheit in ihr gutes Recht eingesetzt sein wird, in dem Augenblicke ist der innigste Völkerbund geschlossen, denn […] das Volk gönnt […] die Freiheit, Aufklärung, Nationalität und Volkshoheit auch dem Brudervolke: […] seinen Brüdern in Polen, Ungarn, Italien und Spanien. […] Europa wird dann wiedergeboren und auf breiten natürlichen Grundlagen dauerhaft organisiert.“
Frauenrechte
Die Forderung nach Gleichberechtigung der Frauen wurde, wenn auch nur in den Reden der Männer, in Hambach formuliert. Mit der französischen Revolution waren die Forderungen der Frauen für Gleichberechtigung laut geworden und sie wollten teilhaben an der neuen Freiheit. Frauen waren außerdem maßgeblich an der Organisation beteiligt, sie hatten sich auch kräftig an den Solidaritätsaktionen für die polnischen Revolutionäre beteiligt. So formuliert Philipp Jakob Siebenpfeiffer, für ihn noch fast wie eine Utopie:
„Es wird kommen der Tag, […] wo das deutsche Weib, nicht mehr die dienstpflichtige Magd des herrschenden Mannes, sondern die freie Gefährtin des freien Bürgers, unsern Söhnen und Töchtern schon als stammelnden Säuglingen die Freiheit einflößt.“
Schon 17 Jahre später nehmen einige Frauen das Recht aufs Kämpfen an der Seite des Mannes für sich in Anspruch. Es wird von der „Wormser Amazone“, Elise Blenker berichtet:
„Elise Blenker wurde 1824 in Köthen bei Leipzig geboren. Ihr Mann, der Weinhändler Ludwig Blenker, war Vorstand des demokratischen Vereins von Worms und Oberst der dortigen Bürgerwehr. Mit ihm zog sie während der Revolution von 1848/49 als „bewaffnete Amazone” in den badisch-pfälzischen Freiheitskampf. Dort traf sie unter anderem auch auf die Mainzer Schriftstellerin Kathinka Zitz. Gemeinsam mit ihrem Mann und 30 Schützen soll Blenker in der Nacht vom 20. auf den 21. Mai 1849 die Festung Landau belagert und schließlich angegriffen haben. Am 29./30. Juni 1849 war sie maßgeblich an der Plünderung des Schlosses Eberstein bei Gernsbach, dem Landsitz des Großherzogs von Baden, beteiligt.“
(zitiert aus: https://www.regionalgeschichte.net/bibliothek/biographien/blenker-elise.html)
Wie aktuell ist diese Beurteilung wohl noch?
„Der Rheinkreis, von einem leicht reizbaren Volke bewohnt, infolge der unbedingt freien Ansässigmachung mehr als jeder andere Teil Deutschlands übervölkert und mehr als jeder mit unbemittelten Massen versehen, einen tüchtigen Stamm alter Jakobiner besitzend, frei wie wenige Länder, überdies durch seine unbegreifliche Zwittergesetzgebung und durch die Stimmung seiner Gerichte mehr als jedes andere Bundesgebiet die Verbrecher (politische!) schirmend, war und ist offenbar als Brennpunkt anzusehen. Das umschließt die evidente Gefahr partieller Kompromittierungen, ja selbst förmlicher Überrumplungen und Entwaffnungen, in einem Land, dessen Bevölkerung Soldat von Geburt ist, dessen Ortschaften von alten napoleonischen Militärs wimmeln.“
Aus einem Rapport des bayerischen Innenministers vom 9. Juni 1832, Ludwig Fürst von Oettingen-Wallerstein, wenige Tage nach dem angeblichen Exceß auf dem Hambacher Schlossberg.
(siehe: Landeszentrale für politischen Bildung Rheinland-Pfalz: Hambach 1832, www.politische-bildung-rlp.de/fileadmin/download_neu/Landesgeschichte/Hambach_1832.pdf)