Mit dem Fahrrad von Dresden nach Prag – Ein Reisebericht

Von Werner Montel

Es ist Freitag, 22.8.2008. Vor 5 Tagen bin ich von Prag zurückgekommen.Bin ich eigentlich wirklich schon hier oder immer noch unterwegs? Immer wieder holen mich die Eindrücke zurück. Bilder tauchen auf. Die wunderbare Landschaft mit dem Elbsandsteingebirge und den Flüssen, die uns begleiten. In der Gruppe fühle ich mich sofort wohl. Jeder wird so genommen,wie er ist. In Dresden hören wir von der Privatisierung des kommunalen Wohnungsbestands. Man ist dadurch schuldenfrei. Aber um welchen Preis? Wohin führt das, wenn man immer mehr Gestaltungsmöglichkeiten aufgibt? Schuldenfrei und einflusslos? Spannende Diskussion. Ein weiteres Thema unserer Reise war der zunehmende Einfluß der Rechten in Sachsen. Was sind die Hintergründe und was kann man tun? NPD verbieten oder mit Zivilcourage Flagge zeigen?
Wir werden am Fluss abgeholt von Olaf Ehrlich, dem OB von Schönau. Seine Gemeinde erregte Aufsehen durch einen Stimmenanteil von 25% für die NPD. Sehr anschaulich berichtete er von seinem Alltag und den Auseinandersetzungen mit den Rechten vor Ort. Und immer wieder auf’s Rad. Es macht Spaß mit der Gruppe zu fahren. Und es ist auch kein Problem,wenn ich gelegentlich mal kräftiger in die Pedale trete und mich austobe. Ja, es besteht sogar die Möglichkeit in Eigenregie die Festung Königstein mit dem Rad zu erklettern. Belohnt wird man mit einem atemberaubenden Blick auf die Elbe. Und dann wird es mir schwer um’s Herz. Wir erreichen Terezin, das ehemalige Konzentrationslager Theresienstadt. Ich schleppe mich mit schweren Füssen durch das Ghetto. Hab Mühe meine Gefühle unter Kontrolle zu halten. Begegne einer jüdischen Reisegruppe. Schäme mich. Und dann muß ich mir doch ein stilles Plätzchen suchen, um hemmungslos zu weinen.
Was ist den Menschen alles möglich!
An einem anderen Abend sitzen wir in Litomerice draussen und unterhalten uns über das, was wir noch mit dem Prager Frühling 1968 verbinden. Bei vielen von uns sind die Erinnerungen mit dem heissen Herbst 1968 in der BRD gekoppelt. Was ist geblieben von unseren Visionen? Wo wollen wir noch hin ? Und wohin die Tschechen?
Hannah, unsere tschechische Begleiterin, erzählt uns lebendig von der Geschichte und Gegenwart ihres Landes und bringt uns einfallsreich ihre Heimatsprache nahe. Thomas, unser Reiseleiter, hat ein enormes Wissen, ist lebendig und authentisch, mit gutem Gespür für Stimmungen, auf die er auch spontan reagiert, wenn er will. Ich mag ihn in seiner ganzen Art. Die tschechischen Kleinstädte, die wir besuchen haben einen eigenartigen Charme. Melnik und Umgebung erinnert mich etwas an die Toscana. Dann sind wir in Prag. Endstation.Einige von uns besuchen eine Fotoausstellung über den Prager Frühling und lassen die Bilder noch mal auf sich wirken.
9 Tage mit vielen tiefen Eindrücken gehen zu Ende, Danke „umdenken“, Dank an Thomas, Hannah, Sasa und die Gruppe.
A N A N A S !!!  Zu deutsch: Auf uns !