Die Pommernreise vom September wirkt – 2 Monate später – bei mir immer noch nach. Sie war für mich eine besondere Reise: Ganz tolle, d.h. offene, wissbegierige, diskussionsfreudige Menschen (die Teilnehmer*innen) haben – einander zuhörend – noch am letzten Abend zusammengesessen und sich ihre persönlichen Familiengeschichten erzählt. Meine alten Freund*innen aus den Dörfern und der Kleinstadt Zlocieniec öffneten sich in der Woche uns gegenüber und plauderten aus ihrem Leben, erzählten uns von Ihrem Alltag, ihren Sorgen, Hoffnungen und Projekten. Mir wurde während der Reise klar, was Politische Radreisen speziell in Pommern ausmacht: Auch einfache Menschen, sei es die Arbeiter*innenfamilie um Zbyszek, Iwona und Junior oder die fast blinde Gosia, kommen als Impulsgeber*innen zu Wort. Und wir (wert-)schätzen ihren Einsatz im Alltag und lernen durch sie viel über die Gesellschaftliche Situation in Polen. Es braucht keine abstrakten Vorträge, im wissenschaftlichen Stil gehalten, um Lernen zu ermöglichen. Dazu passt, dass ich dieses Mal bewusst auf den Vortrag des Bürgermeisters im Ratssaal von Zlocieniec verzichtet habe. Die Hoffnung, ihn zu einem kurzen Gespräch in seinem Garten, an dem wir bewusst vorbeifuhren zu treffen, erfüllte sich. Das war authentisch, was er uns auf unsere Fragen antwortete, genauso echt wie die köstlichen Birnen, die wir von seinem Baum pflückten und aßen.
Das alles ist nur möglich, wenn Vertrauen besteht. Ich freue mich drüber, dass es so ist. Und ich freue mich über die Wertschätzung, dass die Teilnehmer*innen das Besondere an der Reise auch genossen. Besser geht’s nicht. Es wird erst einmal meine letzte Pommernreise gewesen sein, aber privat freue ich mich schon jetzt auf den nächsten Besuch: Mehrere Hundert EURO haben die Teilnehmer*innen für die fast blinde Gosia gesammelt, einfach so aus Solidarität…Das Geld werde ich ihr übergeben.
Thomas, Politische Radreisen
Und nun die Kommentare von Teilnehmer*innen
Es war eine anregende und berührende Woche, eine perfekte Kombination aus Radfahren in schöner Landschaft, Gesprächen mit Polen aus verschiedenen sozialen Schichten, Gesprächen mit anderen Teilnehmern, gemeinsamer Themenarbeit unter professioneller Leitung in einer ruhig und wunderschön gelegenen Unterkunft mit gutem Essen.
Körper und Geist wurden gleichermaßen angeregt und gefordert. Es gab Radtouren verschiedener Länge, die am Vortag besprochen wurden, je nach Lust und Kondition konnte man kürzere oder längere Varianten wählen, die Gruppen haben sich am Zielort wieder getroffen.
Das Programm war durchdacht und sehr gut vorbereitet, inkl. des Tisches mit Büchern, Informationen und Landkarten. Der zeitliche Aufteilung der verschiedenen Aktivitäten paßte, Langeweile kam nie auf.
Besonders hervorheben möchte ich die aufschlussreichen Gespräche mit Polen, die Thomas schon viele Jahre kennt, sowie den Besuch eines Demeter-Landwirtschaftsbetriebes. Sofie und Thomas haben sehr gut übersetzt.
Bewegend waren die Gespräche mit Teilnehmer*innen, deren Eltern auch aus den ehemals deutschen Gebieten stammen und Ihre Heimat verlassen mussten. Es tat gut, sich hier austauschen zu können.
Nach dem Abendessen gab einen gemeinsamen Tagesrückblick und die Möglichkeit, Filme zu den Seminar-Themen zu sehen, sowie Gesprächsrunden zu bestimmten Themen.
Thomas, Sofie und Sebastian haben sehr herzlich und professionell geleitet und Wünsche von Teilnehmern berücksichtigt. Die Kosten für die Woche waren in Ordnung und angemessen.
Es war eine sehr gute Gruppe, die respektvoll und wertschätzend miteinander umging.
Ich denke, dass die Woche für mich sehr fruchtbar war, das Gelernte und Erlebte bleiben wird und mich dazu anregen wird, mich mit den Themen weiterhin zu beschäftigen.
Jürgen
Am Tage spiegelte sich die Sonne auf den glatten Flächen der Seenlandschaft in Pommern, während nachts tausendfach das Glitzern der Sterne am dunklen Firmament verzauberte. Ich erzähle hier über meine Politische Radreise mit Thomas und Sofie, nebst „Praktikant“ Sebastian, die uns in die Umgebung von Zlocieniec geführt hat. Ausgangspunkt unserer Touren mit dem Fahrrad in die hügelig verzweigte Landschaft war die „Ranczo W Dolinie“ gelegen an einem wunderschönen See, der nicht nur zum Baden, sondern auch zum Verweilen einlud, wenn denn noch Zeit blieb neben dem prall gefüllten interessanten Programm.
Es war meine erste Reise mit Thomas und mein erster Aufenthalt in Polen, das Land in dem mein Vater geboren wurde, aus dem ihn der Zweite Weltkrieg vertrieben hat. Die Bildungsreise stand im Spannungsbogen der Deutsch-Polnischen-Geschichte, der gegenwärtigen rechtspopulistischen Situation im Land mit dem Blick auf die Zukunft Europas.
Wie soll man so viel Geschichte und aktuelle Themen innerhalb einiger Tage bewältigen, ohne am Ende nicht „platt“ zu sein. Mit fundiertem Wissen, tollen Methoden, Empathie, guter Laune, hervorragenden Sprachkenntnissen seitens der Leitung und Thomas‘ langjährigen Kontakten zu tollen beeindruckenden Menschen vor Ort einschließlich der täglichen stundenlangen Bewegung an frischer Luft haben diese Woche für mich zu einem unvergesslichen lehrreichen Erlebnis werden lassen!!
Einerseits nehme ich schwierige gesellschaftspolitische Fragen sowie einen unklaren Blick auf die Zukunft Polens mit, aber zugleich hat mir unser Besuch auf einem biologisch-dynamisch bewirtschafteten Hof gezeigt, dass es zukunftsweisende Ansätze im Land gibt mit Blick auf “Enkeltauglichkeit“.
Mein besonderer Dank gilt dir Thomas, der du mit deinen „Politischen Radreisen“ ein hervorragendes Angebot geschaffen hast, Menschen zusammen zu bringen – über Landesgrenzen hinaus.
Und von Herzen danke ich dem gesamten Team und der ganzen Gruppe für die wunderbare Zeit. Wie war das noch…man trifft sich ja meist nicht nur einmal im Leben.
Mechtild
Lerne den Nachbarn im Osten besser kennen
Eine schöne Mischung bietet Thomas Handrich mit seiner Pommern-Bildungsreise hier an. Zunächst einmal bezaubert die Landschaft. Gut, Seenplatten gibt es viele, auch in Deutschland. Die Gegend um unsere Basis am Siecino-See aber besticht neben landschaftlicher Schönheit durch Einsamkeit und absolut erholsame Ruhe, zumindest im September. Wer eine „Eule“ ist wie ich, der gehe nachts zum See, staune über den vor Sternen überbordenden Himmel, den kaum ein Fremdlicht stört, lausche dem Plätschern der Fische und genieße den leisen Ruf des Bläßhuhns. Übrigens: Baden kann man in dem super-sauberen See auch und wem das nicht reicht, der darf gerne ein Kanu leihen.
Doch es geht nicht nur um Naturgenuss, sondern im Kern ja um politische Bildung. Die kann man theoretisch vermittelt bekommen, z.B. indem man Handrichs Aufsatz „Erscheinungsformen und Ursachen des Rechtspopulismus in Polen“ liest (Link unter „weiterführende Beiträge“ auf der Homepage der Politischen Radreisen). Der Reiz dieses Konzepts von Aktivseminar ist aber, dass man die Theorie mit persönlicher Begegnung und persönlichem Erleben vor Ort verbindet. Und das gelang hervorragend.
Wir trafen eine Arbeiterfamilie, in der jedes Mitglied mit harter Arbeit zum Lebensunterhalt beiträgt und auf das Erreichte stolz sein darf. Geduldig beantworteten sie uns im Hof ihres Hauses die vielen Fragen zum Polen von heute aus ihrer Sicht. Wir trafen einen ehemaligen Oberst, der zum Historiker der Region avancierte und sich über dieses intensive Hobby aktiv für die Erinnerungs- und Versöhnungsarbeit gerade zwischen Deutschen und Polen einsetzt. Wir konnten eine Forellenzucht besuchen (und Forellen verkosten), die sich anschickt, zu einem gut besuchten touristischen Highlight der Region zu werden – und lernten nebenbei noch etwas darüber, was die Jugend bewegt. Wir lernten die beste Kuchenbäckerin Pommerns kennen und lernten aus erster Hand, welche Schwierigkeiten man als Sehbehinderte und Witwe bewältigen muss. Wir hielten einen Bürgermeister von der Birnenernte ab und konnten ihn zu seinen Plänen für die Gemeinde befragen. Und schließlich bekamen wir eine hochinteressante Führung auf der Juchowo Farm, dem größten mir bekannten Betrieb, der sich dem ökologischen Landbau verschrieben hat: 1900 Hektar, die nach Demeter-Richtlinien bewirtschaftet werden – ein ganzes Dorfprojekt.
Vormittags und abends wurde das Erlebte in Vorträgen, kleinen Workshops und intensiven Diskussionen vertieft. Die Voraussetzungen waren optimal: Unser Basislager Ranczo W Dolinie bot einwandfreie Unterkunft und sehr gute Verpflegung. Die Gruppe war ganz prima und sehr diskussionsfreudig. Lustiger Nebenaspekt: Uns wurde eines Abends bewusst, dass es kaum einen Teilnehmer gab, bei dem nicht wenigstens ein Elternteil aus ehemalig deutsch besiedelten Gebieten flüchten musste. Ob das bewusst oder unbewusst das Interesse an dieser Reise mit bestimmt hat? Jeder nahm sicher seine Erkenntnisse aus dem Seminar mit. Für mich die drei wichtigsten:
Mir wurde klar, dass man das heutige Polen nicht versteht, wenn man sich nicht mit seiner Geschichte befasst, in dem es sehr oft Spielball fremder Mächte war. Und als Lehre für politische Entwicklungen auch in der Zukunft: Umgestaltungen, gar Umwälzungen gelingen nur, wenn die Menschen auch das, durchaus materiell unterfütterte, Gefühl haben, dass sich ihr Leben dadurch verbessert. Sonst gewinnen die, die ihnen das versprechen und zunächst auch einlösen – dafür werden auch fragwürdige politische Entscheidungen in Kauf genommen. Wir sollten auch vorsichtig sein, was pauschale Forderungen zur Disziplinierung über die EU angeht. Anlässe gäbe es genug und wir mussten uns auch Beispiele von Subventionsgewinnlern erzählen lassen. Es gibt aber auch Menschen, die in eine tragfähige, nachhaltige Zukunft investieren wollen. Sie sollten wir nicht alleine lassen.
Holger